Kommentar zu den beihilferechtlichen Hinweisen des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen zum zahnärztlichen Gebührenrecht

Das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen hat am 16.11.2012 beihilferechtliche Hinweise zum zahnärztlichen Gebührenrecht der GOZ 2012 in Form eines Runderlasses (B 3100 - 3.1.6.2.A - IV A 4) veröffentlicht.

 

Diese beihilferechtlichen Hinweise haben Einfluss auf die Erstattung von GOZ-Liquidationen für beihilfeberechtigte Patienten im Bundesland Nordrhein-Westfalen; sie betreffen jedoch nicht die dortigen GOZ-Liquidationen und deren Fälligkeit als solches. Zunächst sind also allein die beihilfeberechtigten Patienten im Bundesland Nordrhein-Westfalen die „Leidtragenden“ dieses Runderlasses, dennoch kann man davon ausgehen, dass auch andere Beihilfestellen ggf. die Inhalte dieses Runderlasses als Begründung für ihre Erstattungsentscheidungen „heranziehen“.

Dieser Runderlass NRW enthält eine Vielzahl von gebührenrechtlich unzutreffenden Sachverhalten, die von der Landeszahnärztekammer Westfalen-Lippe mit Schreiben vom 20.12.2012 richtiggestellt worden sind. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) unterstützt dieses Schreiben der Landeszahnärztekammer Westfalen-Lippe vollumfänglich. Nachfolgend eine Kommentierung zu wichtigen gebührenrechtlichen Aspekten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) des Runderlasses NRW:

Grundsätzliche Anmerkung:

Entspricht die Liquidation des Zahnarztes einer vertretbaren Auslegung der GOZ sowie dem § 10 GOZ, dann schuldet der Patient das volle und ungekürzte Honorar, unabhängig von der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen. Mit den Hinweisen im Runderlass schließt der Dienstherr gegenüber den Beihilfeberichtigten bestimmte Aufwendungen jedoch von der Beihilfefähigkeit aus.

Begründungen nach § 5 Abs. 2 GOZ:

Text Runderlass:
Folgende Begründungen rechtfertigen in der Regel keine Überschreitung des 2,3fachen Gebührensatzes:
pulpanahe Präparation, starker Speichelfluss, erschwerter Mundzugang, divergierende Pfeilerzähne, subgingivale Präparation, Verblendung und Farbauswahl, erhöhter Zungen- und Wangendruck, kurze oder lange klinische Krone, tiefe Zahnfleischtaschen, festhaftende Beläge/ Konkremente.

Kommentar:
Die hier aufgezählten Begründungen entsprechen allesamt den Bemessungskriterien (Zeit, Schwierigkeit, Umstände bei der Ausführung), die im § 5 Abs. 2 GOZ genannt sind. Der Zahnarzt hat nach billigem Ermessen, unter Berücksichtigung der Bemessungskriterien, die Gebühren innerhalb des Gebührenrahmens zu bestimmen. Insofern können bestimmte Erschwernisse nicht von vornherein oder regelhaft keine Überschreitung des 2,3fachen Gebührensatzes rechtfertigen.
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.
Im übrigen sind per se auch keine Begründungen im Umfang eines Erlebnisaufsatzes gefordert, sondern kurze, stichwortige Begründungen, die vor allem patientenverständlich sein sollen. Die Begründungen sind definitiv für den Patienten und eben nicht primär für den (Nicht-)Erstatter gedacht. Auf Verlangen des Patienten muss eine Begründung näher erläutert werden.
Es ist für einen Freiberufler unzumutbar, schon im „vorauseilenden Gehorsam“ die Begründungspflicht über das geforderte Ausmaß hinaus zu extendieren; die Begründungen können ja immer noch ergänzt und erweitert werden.

GOZ 0100:

Text Runderlass:
Die Leitungsanästhesie nach Nummer 0100 wird im Regelfall nur einmal je Sitzung und Kieferhälfte erforderlich sein. Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend. Im Gebührenverzeichnis findet sich hierzu keine Vorgabe. Die Leitungsanästhesie wird nach medizinisch Notwendigkeit durchgeführt und je erbrachter Leitungsanästhesie nach GOZ 0100 berechnet. Es gibt auch keine Bestimmung im Gebührenverzeichnis, dass eine erneute Leitungsanästhesie in derselben Kieferhälfte begründet werden muss.

GOZ 0090 bzw. 0100:

Text Runderlass:
Bei den Leistungen nach den Nummern 0090 und 0100 ist das verwendete Anästhetikum gesondert berechnungsfähig. Hierbei können Kosten von bis zu 0,70 Euro je Karpule als angemessen anerkannt werden.
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind gebührenrechtlich nicht zutreffend. Im Gebührenverzeichnis findet sich keine Vorgabe hinsichtlich eines Höchstpreises in Euro je Karpule. Somit können auch Materialkosten von über 0,70 Euro pro Karpule berechnet werden.

GOZ 1040:

Text Runderlass:
Die Entfernung unterhalb des Zahnfleisches liegender Konkremente, die nur vom Zahnarzt durchgeführt und nicht auf eine qualifizierte Fachangestellte delegiert werden kann, ist grundsätzlich nach GOZ-Nummer 4070 beziehungsweise 4075 berechenbar, allerdings nicht in derselben Sitzung mit einer PZR.
Gem. § 1 Abs. 5 Zahnheilkundegesetz (ZHG) können approbierte Zahnärzte folgende Tätigkeiten an dafür qualifiziertes Prophylaxe-Personal mit abgeschlossener Ausbildung wie zahnmedizinische Fachhelferin, weitergebildete Zahnarzthelferin, Prophylaxehelferin oder Dental-Hygienikerin delegieren: insbesondere Entfernung von weichen und harten sowie klinisch erreichbaren subgingivalen Belägen [...].
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend. Sie stehen ferner im Widerspruch zum aktuellen Delegationsrahmen der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) für Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA).

GOZ 2030:

Text Runderlass:
Laut Leistungsbeschreibung kann die Leistung nach Nummer 2030 GOZ nur im Zusammenhang mit einer Füllungstherapie oder einer Zahnpräparation berechnet werden. Die Maßnahme kann nicht gesondert zur Darstellung von Präparationsrändern bei einer prothetischen Therapie angesetzt werden, da sie Bestandteil der Leistungen nach den Nummern 2200ff. und 5000ff. ist; sie kann auch nicht im Rahmen einer KFO-Behandlung zum Tragen kommen.

Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer (Stand: 21.09.2012):
"Das ggf. erforderliche Anlegen einer Formgebungshilfe ist im Verordnungstext nicht beschrieben (Anm. bei den GOZ-Nrn. 2060, 2080, 2100 und 2120 nicht beschrieben) und ist unter der Nr. 2030 zusätzlich berechnungsfähig. Auch die Darstellung der Präparationsgrenze sowohl bei der Abformung als auch bei der Befestigung durch geeignete Hilfsmittel kann als 'Besondere Maßnahme' mit dieser Nummer berechnet werden. Die Aufzählung der Maßnahmen, die diese Position auslösen, ist nicht abschließend. Es können Klammern, Keile, (getränkte) Fäden, Tinkturen o.Ä. oder auch ein Elektrotom oder ein Laser eingesetzt werden. Auch das Separieren aus kieferorthopädischen oder anderen Gründen ist unter dieser Nummer zu berechnen, eine Zahnumformung durch approximale Schmelzreduktion jedoch nicht.“
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

GOZ 6100:

Text Runderlass:
Nummer 2197 ist als Leistungsposition für eine adhäsive Befestigung für Klebebrackets (Nummer 6100 GOZ) nicht berechnungsfähig, da deren Leistungsinhalt eine „Klebebefestigung“ umfasst… Die Nummer 6100 GOZ umfasst als Leistung die Eingliederung eines Klebebrackets. Der Begriff „Klebebracket“ setzt zwingend voraus, dass das Bracket „geklebt“ wird.
Brackets können auch mittels Zementen (nicht konditioniert) geklebt werden. Die adhäsive Befestigung hingegen beinhaltet die Oberflächenkonditionierung, die zusätzlich mit GOZ 2197 berechnet werden kann.
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

GOZ 2260 und 2270:

Text Runderlass:
Kosten für die labortechnische Herstellung provisorischer Kronen und Brücken sind nur dann beihilfefähig, wenn es sich um Langzeitprovisorien nach den Nummern 7080 und 7090 GOZ handelt, nicht jedoch in Verbindung mit den Nummern 2260, 2270 sowie 5120 und 5140 GOZ.

Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer (Stand: 21.09.2012:
"Ausarbeitung erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Berechnung nach § 9 GOZ.“ Eine zahntechnische Leistung gem. § 9 GOZ liegt vor, wenn im Labor überarbeitet und/oder nachgearbeitet wird (z.B. Hochglanzpolitur, feinanatomische Gestaltung, Oberflächenvergütung u.v.m.).
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

GOZ 2390:

Text Runderlass:
Die Leistung nach Nummer 2390 GOZ ist nur als selbständige Leistung berechnungsfähig (z.B. im Rahmen einer Notfallbehandlung) und nicht z.B. als Zugangsleistung zur Erbringung der Leistungen nach den Nummern 2360, 2410 und 2440 GOZ.

Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer (Stand: 21.09.2012):
"Die selbständige Leistung 'Trepanation' ist mit der Eröffnung des koronalen Pulpenkavums abgeschlossen. Weitere endodontische Maßnahmen sind andere eigenständige Leistungen. Diese sind auch berechnungsfähig, wenn deren Durchführung im unmittelbaren Anschluss an die Trepanation erfolgt. Die Wiedereröffnung eines definitiv verschlossenen Zahnes zur weitergehenden Wurzelkanalbehandlung oder zur Revision einer vorhandenen Wurzelkanalfüllung kann erneut nach dieser Gebührennummer berechnet werden.“
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

GOZ 2420:

Text Runderlass:
Die Nummer 2420 GOZ setzt ein spezielles elektrophysikalisch-chemisches Verfahren voraus (z.B. Iontophorese, Depotphorese, Elektrophorese). Diese Verfahren kommen heutzutage nur noch selten zur Anwendung. Die chemisch-physikalische Desinfektion des Wurzelkanals (auch mittels Ultraschall) berechtigt nicht zum Ansatz der Nummer 2420 GOZ.

Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer (Stand: 21.09.2012):
"Zusätzliche Maßnahmen zur Dekontamination eines mechanisch (von Hand oder maschinell) aufbereiteten Wur-zelkanals mittels Kombination aus elektrophysikalischen und chemischen Verfahren. Dabei erfolgt die Reinigung und Desinfektion der Kanalwände und mechanisch nicht aufbereitbarer akzessorischer Kanäle, z. B. mittels in Ultraschallschwingung versetzter Kanalinstrumente in Verbindung mit chemischen Spüllösungen (z.B. Natriumhypochlorit, Chlorhexidin).“
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

GOZ 3100:

Text Runderlass:
Die Leistung bildet die im Rahmen einer Wundversorgung einschließlich einer erforderlichen Periostschlitzung auftretenden Eingriffe ab. Die Periostschlitzung ist dabei ein obligatorischer Leistungsteil. Ortsgleiche Eingriffe ohne Verlagerung von Weichgewebe sind jedoch mit den Gebühren für die operativen Leistungen abgegolten und nicht gesondert berechnungsfähig. Die Leistung nach Nummer 3100 GOZ kann jedoch grundsätzlich neben anderen operativen Leistungen berechnet werden.

Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer (Stand: 21.09.2012):
"Die Periostschlitzung ist Leistungsinhalt. Diese Gebührennummer ist berechnungsfähig, wenn eine einfache Readaptation der Wundränder nicht möglich oder nicht indiziert ist. Die Vornahme schwieriger Lappenplastiken (z.B. Spaltlappenplastik) wird nach Nummer 2382 (GOÄ) berechnet.“
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind also zumindest unvollständig, wenn nicht verwirrend.

GOZ 4000:

Text Runderlass:
Der Ansatz eines erhöhten Steigerungsfaktors mit der Begründung „mehrerer Messstellen“ (z.B. 6) stellt in der Parodontaldiagnostik keine außergewöhnliche Leistung dar und ist daher nicht beihilfefähig.

Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer (Stand: 21.09.2012):
"Auch die Schwierigkeit bei der Erhebung der Befunde muss sich in der Bemessung des Gebührenfaktors niederschlagen. Zusätzlicher Aufwand - Umfangreiche diagnostische Aufzeichnungen (z.B. Vielpunktmessungen, Furkationsbefall usw.)"
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

GOZ 5170:

Text Runderlass:
Die Berechnung einer Gebühr nach Nummer 5170 GOZ kann regelmäßig nur im Zusammenhang mit prothetischen Leistungen (Abschnitt F des Gebührenverzeichnisses) in Betracht kommen, wenn die in der Leistungsbeschreibung genannten qualifizierten Voraussetzungen vorliegen. Die Abformungen im Zusammenhang mit der Versorgung der Zähne mit Einlagefüllungen und Einzelkronen sind mit den Leistungen nach den Nummern 2150 bis 2170 und 2200 bis 2220 GOZ abgegolten (2. Abrechnungsbestimmung nach Nummer 2220 GOZ).

Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer (Stand: 21.09.2012):
"Die Leistung nach der Nummer 5170 kann auch ohne das Vorliegen anatomischer Besonderheiten verwendet werden, sofern eine Abformung mit dem Ziel einer Remontage durchgeführt wird. Abformungen mit individuellem Löffel für andere als die in der Leistungsbeschreibung genannten Indikationen sind analog zu berechnen. Zusätzlich berechnungsfähige Leistungen Anfertigung von Kronen und Brücken
- GOZ 2200ff.
- GOZ 5000ff."
GOZ 5170 ist auch im Zusammenhang mit z.B. Einlagefüllungen und Einzelkronenversorgungen u.v.m. berechenbar, z.B. bei Vorliegen ungünstiger Kieferformen. Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

GOZ 6130:

Text Runderlass:
Die Entfernung eines Bogens oder Teilbogens ist analog nach der Nummer 6130 GOZ berechenbar; der Ansatz der Ziffer 2702 GOÄ analog ist dagegen nicht angemessen.

Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer (Stand: 21.09.2012):
"Die Entfernung eines Teilbogens ist unter der Nummer 2702 (GOÄ) beschrieben."

Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer (Stand: 21.09.2012):
"Die Entfernung eines ungeteilten Bogens ist unter der Nummer 2702 (GOÄ) beschrieben.“

GOZ 6130 ist für die Entfernung eines Teilbogens/ungeteilten Bogens von der Honorarhöhe vollkommen unangemessen. Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

GOZ 6190:

Text Runderlass:
Die Berechnung der Nummer 6190 GOZ kommt grundsätzlich nur bei einer kieferorthopädischen Behandlung in Betracht. Für notwendige Beratungen und Gespräche im Rahmen der zahn-ärztlichen Behandlung stehen dem Zahnarzt gem. § 6 Abs. 1 GOZ die entsprechenden Gebühren nach der GOÄ zur Verfügung.

Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer (Stand: 21.09.2012):
"Das beratende und belehrende Gespräch bezieht sich auf festgestellte schädliche Gewohnheiten und Dysfunktio-nen sowie Anleitungen zu deren Beseitigung. Es kann sich auf kieferorthopädische Fragestellungen, aber auch auf andere zahnmedizinische Gebiete beziehen.“
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

GOZ 7000:

Text Runderlass:
Leistungen aus Abschnitt H GOZ betreffen die Eingliederung von Aufbissbehelfen und Schienen. Sie werden als Behandlungsgeräte zur Beseitigung von Funktionsstörungen oder bei Parodontalerkrankungen eingesetzt. Im Zusammenhang mit der kieferorthopädischen Therapie ist der Ansatz dieser Position nicht nachvollziehbar und kann daher nicht berücksichtigt werden.
Eine Begrenzung der Leistungen nach GOZ 7000ff. nur auf bestimmte Behandlungsbereiche ist in der GOZ nicht vorgesehen. GOZ 7000ff. können z.B. auch im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung nach § 1 GOZ notwendig sein.
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

Notwendigkeit GOZ 8000ff.:

Text Runderlass:
Eine Notwendigkeit für funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen kann bei einer prothetischen Versorgung nur bei umfangreichen Gebisssanierungen anerkannt werden, d. h. wenn in jedem Kiefer mindestens die Hälfte der Zähne eines natürlichen Gebisses sanierungsbedürftig ist und die regelrechte Schlussbisslage durch Einbruch der vertikalen Stützzonen und/oder die Führung der seitlichen Unterkieferbewegungen nicht mehr sicher feststellbar sind. Im Interesse einer fachgerechten Befunderhebung des stomatognathen Systems ist in diesem Fall regelmäßig die Leistung nach Nummer 8000 GOZ erforderlich. GOZ 8000ff. sind dann medizinisch notwendig und berechenbar, wenn die Notwendigkeit nach § 1 GOZ gegeben ist.
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

Notwendigkeit GOZ 8000ff. bei Inlays und Zahnersatz:

Text Runderlass:
Die Leistungen für die Versorgung mit Einlagefüllungen (Nummern 2150 bis 2170 GOZ), mit Kronen (Nummern 2200 bis 2220 GOZ), mit Brücken (Nummern 5000 bis 5040 GOZ) und mit Prothesen (Nummern 5200 bis 5230 GOZ) umfassen nach den Abrechnungsbestimmungen hinter den Nummern 2220, 5040 und 5230 GOZ auch die Bestimmung der Kieferrelation. Hierfür können daher grundsätzlich keine Gebühren aus Abschnitt J des Gebührenverzeichnisses berechnet werden. Bei der Versorgung mit Kronen, Teilkronen, Onlays, Overlays, Inlays, Brücken oder Prothesen können funktionsanalytische bzw. -therapeutische Maßnahmen notwendig und dann auch berechnungsfähig sein. Der Einschluss der „Relationsbestimmung“ bei den GOZ-Nrn. 2150-2170 und 2200-2220 sowie die „Bestimmung der Kieferrelation“ bei den GOZ-Nrn. 5000-5040 und 5200-5230 betrifft nur die "einfache“ Relationsbestimmung/Bissnahme (z.B. Bissnahme mit Quetschbiss).
Eine aufwändigere Kieferrelationsbestimmung wird nach den GOZ-Nrn. 8010ff. berechnet. GOZ 8000ff. sind dann medizinisch notwendig und berechenbar, wenn die Notwendigkeit nach § 1 GOZ gegeben ist.
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

Notwendigkeit GOZ 8000ff. bei KFO-Behandlungen:

Text Runderlass:
Funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen nach den Nummern 8000ff. GOZ gehören zum Leistungsumfang der kieferorthopädischen Behandlung; sie sind nicht gesondert berechenbar.
GOZ 8000ff. sind dann medizinisch notwendig und berechenbar, wenn die Notwendigkeit nach § 1 GOZ gegeben ist. Dies kann ohne Zweifel auch im Rahmen einer KFO-Behandlung gegeben sein.
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

Notwendigkeit GOZ 9020 bei prothetischen Behandlungen:

Text Runderlass:
Die Leistung nach Nummer 9020 GOZ bildet die Einbringung von Implantaten zum temporären Verbleib ab. Zu diesen – in der Regel transgingival eingebrachten – Implantaten gehören auch die orthodontischen, im Rahmen kieferorthopädischer Maßnahmen genutzten Implantate. Im Rahmen einer implantatprothetischen Versorgung dürfte eine medizinische Notwendigkeit allerdings kaum zu begründen sein.
GOZ 9020 dann medizinisch notwendig und berechenbar, wenn die Notwendigkeit nach § 1 GOZ gegeben ist.
Im Rahmen einer implantatprothetischen Versorgung ist es häufig notwendig im Sinne des § 1 GOZ, temporäre Implantate für die Verankerung der provisorischen Versorgung einzubringen. Somit können temporäre Implantate auch im Rahmen einer implantatprothetischen Versorgung berechnet werden.
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

Notwendigkeit GOÄ 2381 bzw. 2382 neben GOZ 9040:

Text Runderlass:
Im Rahmen der Freilegung von Implantaten nach Nummer 9040 GOZ dürfte eine medizinische Notwendigkeit für Maßnahmen nach Nummer 2381 und/oder 2383 GOÄ nicht zu begründen sein.

Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer (Stand: 21.09.2012) zu GOZ 9040:
"Zusätzlich berechnungsfähige Leistungen 
- Lappenplastik GOÄ 2381, 2382 
- u. v. m."
Die GOÄ-Nrn. 2381/2382 sind bei gegebener Indikation gesondert neben der GOZ-Nr. 9040 berechnungsfähig.
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

Ansatz bestimmter GOÄ-Nummern:

Text Runderlass:
Der Ansatz der Nummern 15, 30, 31 und 34 GOÄ ist in Zusammenhang mit zahnärztlichen Maßnahmen grundsätzlich nicht gerechtfertigt.
Nach § 6 Abs. 2 GOZ hat der Zahnarzt Zugriff auf GOÄ 15/30/31 und 34. Als behandelnder Zahnarzt fällt es in seinen Verantwortungsbereich und unterliegt seiner Therapiefreiheit, die jeweilige erfolgversprechende und medizinisch notwendige Leistung auszuwählen.
Die vorliegenden Auffassungen des Runderlasses sind fachlich und gebührenrechtlich nicht zutreffend.

Fazit:

Die beihilferechtlichen Hinweise zum zahnärztlichen Gebührenrecht der GOZ 2012 des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen im Runderlass vom 16.11.2012 sind großteils fachlich und gebührenrechtlich unzutreffend und stehen im Widerspruch zur GOZ. Es wird aber wieder Jahre dauern, bis couragierte Beihilfeberechtigte in diesen Fällen über die Verwaltungsgerichte sachgerechte Erstattungen erstritten haben werden.

Dr. Peter Klotz
Referent für Privates Gebühren- und Leistungsrecht des ZBV Oberbayern

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